Wartmann Merker Newsletter zur ZPO Revision

Revision ZPO

Am 1. Januar 2025 tritt die revidierte ZPO in Kraft. Dieser Newsletter gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen für handelsrechtliche Streitigkeiten.

Seit Inkrafttreten im Jahr 2011 hat die ZPO keine wesentlichen Änderungen erfahren. Die Revision will durch punktuelle Änderungen die Praxistauglichkeit und Rechtsdurchsetzung verbessern; insbesondere soll der Zugang zum Gericht erleichtert werden.

Das Wichtigste in Kürze:

1. Ermöglichung von internationalen Handelsgerichten

Die Revision regelt die Zuständigkeit der Handelsgerichte neu und schafft die Voraussetzungen, damit Englisch als Verfahrenssprache gewählt werden kann.

Auslöser dieser Revisionen waren Bestrebungen im Kanton Zürich zur Schaffung eines "Zurich International Commercial Court" (ZICC). Angedacht ist die Schaffung einer besonderen Abteilung am Handelsgericht Zürich, das internationale Handelsstreitigkeiten beurteilt, nach Wahl der Parteien auch auf Englisch. So sollen z.B. KMU mit ihren ausländischen Kunden oder Lieferanten Verträge schliessen können, in denen das Handelsgericht des Kantons Zürich (bzw. eben das ZICC) als Gerichtsstand gewählt wird, wobei das Verfahren auf Englisch geführt würde (wie in einem Schiedsverfahren). Damit soll die Schweiz als Gerichtsstand für internationale gerichtliche Handelsstreitigkeiten attraktiver werden.

Im Einzelnen treten folgende Änderungen in Kraft:

a) Zuständigkeit Handelsgerichte (Art. 6 Abs. 4 lit. c ZPO)

Bislang konnten die Parteien nur die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts vereinbaren, nicht aber, welches Gericht an jenem Ort sachlich zuständig sein sollte. Neu können die Parteien durch Vereinbarung ein Handelsgericht für zuständig erklären. Vorausgesetzt wird kumulativ, dass:

  • die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist;

  • der Streitwert mindestens CHF 100'000 beträgt;

  • die Parteien der Zuständigkeit des Handelsgerichts zustimmen; und dass

  • mindestens eine Partei keinen Sitz in der Schweiz hat.

b) Englisch als Verfahrenssprache (Art. 129 ZPO)

Ebenfalls der Schaffung internationaler Handelsgerichte dient die Möglichkeit, Englisch als Verfahrenssprache vorzusehen.

Dieser innovative Punkt war im Gesetzgebungsprozess höchst umstritten. Die Revision ermöglicht nun den Kantonen zu erlauben, Englisch als Verfahrenssprache bei internationalen handelsgerichtlichen Streitigkeiten zu ermöglichen, wenn alle Parteien dem zustimmen, namentlich in einer Gerichtsstandsklausel.

Eine Gerichtstandsklausel könnte z.B. lauten:

"The exclusive place of jurisdiction is the City of Zurich. The parties agree that the Zurich International Commercial Court [resp. die genaue Bezeichnung eines in Zürich noch zu schaffenden Gerichts] shall have exclusive jurisdiction. The proceedings shall be conducted in English."

Sofern das kantonale Verfahren auf Englisch geführt wurde, haben die Partien neu die Möglichkeit, ihre Rechtsschrift vor Bundesgericht auf Englisch einzureichen (Art. 42 Abs. 1bis BGG). Das Verfahren wird aber weiterhin in einer Amtssprache geführt.

Für die definitive Schaffung von internationalen Handelsgerichten werden nun Gesetzesrevisionen auf kantonaler Ebene nötig. In den grossen Wirtschaftsstandorten Zürich und Genf sind bereits entsprechende Vorarbeiten in Gang.

2. In-house Counsel Privilege (Art. 167a ZPO)

Neu wird ein In-house Counsel Privilege vorgesehen, wonach eine Partei in Bezug auf die Tätigkeit ihres unternehmensinternen Rechtsdienstes die Mitwirkung verweigern kann und Unterlagen nicht herausgeben muss. Vorausgesetzt wird, dass:

  • die Partei in einem Handelsregister eingetragen ist;

  • der Rechtsdienst von einer in der Schweiz oder in ihrem Herkunftsstaat zum Anwaltsberuf zugelassenen Person geleitet wird; und dass

  • die betreffende Tätigkeit bei einer Anwältin oder einem Anwalt als berufsspezifisch gelten würde.

Das Mitwirkungsverweigerungsrecht steht nicht nur dem Unternehmen selbst zu, sondern auch den Mitarbeitern des Rechtsdiensts, auch wenn diese nicht Verfahrenspartei sind.

Das In-house Counsel Privilege soll vor allem schweizerischen Unternehmen ein Mitwirkungsverweigerungsrecht bei (Zivil-)Prozessen im Ausland einräumen; insbesondere in Verfahren in den USA, wo die Parteien im Rahmen der sog. Discovery umfassende Editionspflichten treffen. Je nach Ausgestaltung des ausländischen Prozessrechts muss ein Verweigerungsrecht aber im "Heimatrecht" verankert sein, damit sich die Partei im Ausland darauf berufen kann. Mit der Revision soll also eine Benachteiligung von Schweizer Unternehmen in ausländischen (Zivil-)Prozessen beseitigt werden.

In Zivilprozessen in der Schweiz wird das neue Verweigerungsrecht weniger bedeutsam sein, da das schweizerische Prozessrecht keine umfassenden Editionspflichten kennt.

3. Kostenvorschuss (Art. 98 und 111 ZPO)

Neu müssen Kläger höchstens nur noch die Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten vorschiessen. In bestimmten Verfahren, u.a. bei handelsrechtlichen Streitigkeiten vor den (noch zu schaffenden) internationalen Handelsgerichten, kann das Gericht aber weiterhin einen vollen Kostenvorschuss verlangen.

Die klagende Partei erhält bei Obsiegen den Kostenvorschuss zurückerstattet, muss den Vorschuss also nicht mehr bei der unterliegenden beklagten Partei einfordern. Das bedeutet, dass neu der Staat das Inkassorisiko trägt.

Diese neue Kostenregelung soll den Zugang zu den Gerichten erleichtern. Sie kann im Einzelfall sehr bedeutsam sein.

4. Stärkung Schlichtungsverfahren (Art. 199 Abs. 3 ZPO)

Bislang war bei handelsgerichtlichen Streitigkeiten kein Schlichtungsverfahren vorgesehen. Neu hat die klagende Partei die Wahl, ob sie zunächst ein Schlichtungsverfahren durchführen oder direkt Klage beim Handelsgericht einreichen will.

Das ist zu begrüssen: Wenn eine klagende Partei nur die Verjährung unterbrechen will, eine Betreibung aber nicht möglich ist, ist ein Schlichtungsbegehren ein einfaches und kostengünstiges Mittel. Bislang konnte dieses Mittel bei handelsgerichtlichen Streitigkeiten nicht eingesetzt werden. Zudem kann eine klagende Partei nun im Schlichtungsverfahren mit geringem Aufwand einen Vergleich anstreben – wenn sie dieses Ziel im Einzelfall für realistisch hält.

5. Privatgutachten als Beweismittel (Art. 177 ZPO)

Bislang kam privaten Gutachten  keine Beweismittelqualität zu. Reichte eine Partei ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten ein, wurde dieses von den Gerichten lediglich als substantiierte Parteibehauptung betrachtet. Neu werden Privatgutachten als Urkunden qualifiziert. Deren Beweiswert wird im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände festgelegt.

6. Vorsorgliche Massnahmen gegen Medien (Art. 266 lit. a ZPO)

Mit der Revision wird klargestellt, dass vorsorgliche Massnahmen gegen Medien nicht nur dann angeordnet werden können, wenn eine Rechtsverletzung droht, sondern auch, wenn diese bereits besteht (und beseitigt werden soll).

Zudem ist nicht mehr erforderlich, dass ein "besonders schwerer" Nachteil für die gesuchstellende Partei droht. Der Nachteil muss nur (aber immerhin) "schwer" sein. Diese Änderung wurde von Medienkreisen heftig kritisiert. Es wird sich aber noch weisen müssen, ob eine betroffene Person inskünftig wirklich einfacher eine vorsorgliche Massnahme gegen Medien erwirken kann.

7. Fazit

Die revidierte ZPO enthält einige wichtige Neuerungen. Insbesondere die Schaffung der Grundlagen zur Ermöglichung von internationalen Handelsgerichten als eine mögliche Alternative zu Schiedsgerichtsverfahren ist ein zentraler Aspekt zur Stärkung der Wirtschaftsstandorte Zürich und Genf.

Nicht Teil dieser Revision ist der kollektive Rechtsschutz – dieser ist Thema eines separaten Revisionsverfahrens.

Bei Fragen zur ZPO Revision und zu deren Auswirkungen auf Ihre Geschäftstätigkeit stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.